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Was Digitale Transformation mit Schach zu tun hat

Warum es so wichtig ist, dass technologischer Fortschritt und Digitalisierung bei Vorstellungsvermögen und Erwartungshaltung den Faktor Mensch berücksichtigen.

Foto von Fabrizio Scarpati
Fabrizio Scarpati

Agile Coach

Achtung: Fortschritt

Der rasante technologische Fortschritt eröffnet uns Menschen nicht zuletzt mit Blick auf die Digitalisierung große Chancen. Gleichzeitig birgt er aber auch große Herausforderungen, die unsere Vorstellungskraft immer stärker fordern oder gar übersteigen. Von einfachen Smartphones, die bereits heute die Rechenleistung der Computer der Apollo 11-Mission um das 10.000-fache übertreffen, über Entwicklungen wie selbstständig bestellende Kühlschränke, Drohnen-Lieferungen oder autonome Fahrzeuge, bis hin zu tiefgreifenden Veränderungen in der Arbeitswelt bzgl. Arbeitsplätzen und Arbeitsformen infolge fortschreitender Automatisierung und Künstlicher Intelligenz. Kaum ein Lebensbereich bleibt unberührt von der Digitalisierung, und trotzdem muss jegliche digitale Transformation durch den Flaschenhals des analogen Alltags hindurch. Dabei stellt unser menschliches, zumeist lineares Vorstellungsvermögen und gerne simplifizierendes Denken oft ein Hindernis dar für die Nachvollziehbarkeit exponentieller Entwicklungen und der damit verbundenen Dynamik in komplexen Domänen und unserer komplexen Welt. Um dies zu veranschaulichen, wird immer gerne die Schachbrett-Parabel angeführt.

Schach auf Mobiltelefon
Bild: pixnio.com

Schachmatt!

Der indischen Legende nach erfindet ein weiser Brahmane das Schachspiel, um einem tyrannischen König zu verdeutlichen, dass in einer Gemeinschaft alle aufeinander angewiesen sind, und dass auch der König als wichtigste Figur ohne die Hilfe der anderen Figuren nichts erreichen kann. Dies beeindruckt den König, er überdenkt sein Verhalten und gewährt dem Brahmanen als Dank einen Wunsch. Der bittet den König um Weizenkörner, beginnend mit einem einzigen Weizenkorn auf dem ersten Schachbrettfeld, zwei auf dem zweiten Feld, vier auf dem dritten und die Menge von Feld zu Feld einfach immer weiter verdoppelnd. Der vermeintlich bescheidene, anfänglich vom König verlachte Wunsch endet mit der Erkenntnis, die notwendige Menge Getreidekörner im ganzen Reich nicht aufbringen zu können - die Bedeutung der exponentiellen Steigerung dahinter überstieg klar die Vorstellungskraft und das lineare Verständnis des Königs. Doch spannenderweise endet die Geschichte nicht hier, denn auf Anraten seines Rechenmeisters stellt der König schließlich eine Bedingung: der Brahmane müsse das Getreide eigenhändig Korn für Korn nachzählen...

Digitale Transformation, der Mensch ...

Übertragen auf die hohe Dynamik der digitalen Transformation in der komplexen Welt lässt sich dadurch einerseits gut verdeutlichen, dass wir uns aktuell irgendwo mitten auf dem Schachbrett befinden und uns generell schwer damit tun zu überblicken, was die nächsten Felder für uns so alles mitbringen. Andererseits zeigt, wie ich finde, die weniger bekannte Wendung gen Ende der Geschichte auf, dass der Maßstab nicht die exponentielle Explosion des technologischen Fortschritts selbst ist, sondern der Faktor Mensch. So wird sich der clevere Brahmane vermutlich eher nicht auf das Zählen der Körner einlassen. Wir Menschen sind „analoge Wesen" und unterliegen, mit all unseren psychischen, kognitiven, emotionalen und sozialen Einflüssen, ganz „natürlichen Limitierungen". Über diese Einflussfaktoren, Interaktionen und Abhängigkeiten entwickeln wir unterschiedliche und ganz individuelle Wahrnehmungen, Bedürfnisse und Möglichkeiten. Bei zu schnellen Veränderungen in unsererm Umfeld fühlen wir uns aber auch schon mal nicht mitgenommen oder gar überfordert; wir machen deswegen nicht mit oder wünschen uns gerne einfache Lösungen für komplexe Probleme - was natürlich nicht funktionieren kann. Gerade deswegen ist es aber wichtig, nicht nur die Digitalsierung selbst zu fordern und zu fördern, sondern vor allem den angemessenen Umgang von uns Menschen damit in allen Lebens- und Arbeitsbereichen.

... und die Arbeitswelt

Bei den anstehenden Veränderungen in der Arbeitswelt durch die digitale Transformation etwa gilt es, nicht einfach nur Menschen in Unternehmen „zu ersetzen", sondern den Umgang mit Veränderung insgesamt organisatorisch zu unterstützen und zu ermöglichen, Silos aufzubrechen, systemisch Angebote und Experimente zu machen sowie bessere Formen der kreativen, motivationsfördernden Interaktion und Zusammen­arbeit zu erproben und zu etablieren. Das impliziert, dass sich Organisationen nicht nur in einzelnen Bereichen (etwa der IT), sondern oft insgesamt und ganz grunsätzlich anders aufstellen müssen, wenn sie den Herausforderungen der Digitalisierung gewachsen sein wollen. Und bei allen Veränderungen ist der Mensch Dreh- und Angelpunkt, denn bis auf Weiteres bleiben wir Menschen diejenigen, die dafür sorgen, dass sich das Rad weiterdreht - spätestens dann, wenn der Strom ausfällt.